Verein "Gilead"

„Nerd-sein ist zum Mainstream geworden“

Der Verein „Gilead“ bietet Kärntens Fantasy- und Anime-Fans ein Zuhause. Neben Strategiespielen und japanischer Pop-Kultur fokussiert die Community sich auch auf LARP (Live Action Role Playing) und steckt sehr viel Zeit sowie Energie in ihr Hobby.

„Nerd-sein ist zum Mainstream geworden“ Teilnehmer bei einem mittelalterlichen "Live Action Role Playing" (LARP)

© Gilead

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Samstagvormittag um 10 Uhr in der Klagenfurter Innenstadt. Während die meisten Menschen beim Brunch sitzen oder beim Einkaufen sind, hat sich eine kleine Gruppe von Gleichgesinnten im Mozarthof versammelt. Das Ziel: Der Aufbau einer authentischen Wild-West-Kulisse. Die Mitglieder von „Gilead“, dem Kärntner Verein für die nerdigen Seiten des Lebens, legen selbst Hand an und verwandeln einen ihrer Vereinsräume in einen stimmungsvollen Saloon.

Aber warum opfert diese Community ihre Freizeit für solch aufwändige Tätigkeiten? „KLiCK“-Kärnten war für einen Lokalaugenschein vor Ort und hat mit Vereinsmitgliedern über die Faszination und Freuden des „Nerd-seins“ gesprochen.

Über den Verein

„Unser Verein ist in vier Sektionen gegliedert“, erzählt Markus Steiner, der die Sektion „LARP“ leitet. Dabei handelt es sich um einen Mix aus Schauspielerei und Strategiespiel, bei dem die Mitwirkenden sich kostümieren und in einer fiktiven Welt bestimmte Rollen verkörpern.

Zudem bietet Gilead noch die Sektionen Tabletop, Pen & Paper sowie Manga & Anime an. Die ersten beiden drehen sich um verschiedene Formen von Spielen, bei denen die Teilnehmer gemeinsam in eine Fantasiewelt eintauchen und darin bestimmte Ziele erreichen müssen. Letzteres fokussiert sich auf japanische Pop-Kultur, insbesondere auf Comics und animierte Serien.

Insgesamt hat Gilead rund 100 Mitglieder mit einer Altersspanne zwischen 14 und 60 Jahren, bei den wöchentlichen Treffen sind meistens ein bis zwei Dutzend Personen anwesend.

Cowboys und Mafiosi mitten in Klagenfurt

„Am Mittwoch dem ersten März bietet wir allen Interessierten ein Einsteiger-LARP an. Dort kann man austesten, ob einem dieses Hobby gefällt. Das Ganze wird ein bis zwei Stunden dauern“, so Steiner. Das Setting ist Besuchern der letzten HaruCon Messe bereits bekannt, denn es geht wieder in den Wilden Westen. Wer herausfinden will, wie sich ein Abend in einer Western-Taverne anfühlt, findet auf der Seite des Events nährere Informationen.

„Eine komplette LARP-Spielrunde dauert normalerweise etwa ein Wochenende und ist sehr aufwändig in der Planung und Umsetzung“, erklärt Steiner. Die Auswahl und Vorbereitung des Veranstaltungsortes, die Kulissen, eine passende Geschichte, die Kostüme und die Regie – all das benötigt viel Zeit und Einsatzbereitschaft. „Die Vorlaufzeit für ein längeres LARP beträgt zwischen einem halben und einem ganzen Jahr“, so Steiner.

Nachdem COVID-19 in den letzten Jahren die Ausübung dieses Hobbys erschwert bis unmöglich gemacht hat, ist 2023 wieder einiges geplant. So verwandelt der Gilead-Verein im Mai die Klagenfurter Kammerlichtspiele im Red Diamond LARP  in das Chicago der 1920er Jahre.

Warum LARP?

Wieso tut man sich all das eigentlich an? Darauf haben Markus Steiner und Jasmin Walter vom Vereinsvorstand sehr spannende Antworten parat.

„Als Spielleiter gefällt es mir zu sehen, wie meine selbstgeschriebenen Geschichten zum Leben erwachen“, erklärt Steiner. „Wie wird die Rolle, die ich mir ausgedacht habe, interpretiert? Wie entwickelt sich die Dynamik zwischen den LARP-Figuren? Das mitzuerleben, ist sehr interessant für mich.“ Aus spielerischer Sicht schätzt der Sektionsleiter zudem, das LARP auch eine Art von Improvisationstheater ist: „Man schlüpft in eine Rolle, lernt dabei auch immer etwas über sich selbst und erweitert dadurch auch seine sozialen Fähigkeiten für den Alltag“, ist Steiner überzeugt.

„Die eigene Persönlichkeit wächst beim LARP“, erläutert Jasmin Walter ihre Faszination für dieses Hobby. „Es ist eine sichere Umgebung, um verschiedene Dinge auszuprobieren und man kann sich auf die Community verlassen“. Sie selbst sei sehr schüchtern gewesen, bevor sie zu Gilead kam, erzählt die 23-jährige. „Ich war ein Mauerblümchen und traute mich kaum, mit jemanden zu reden. Die Community und das LARPen haben das geändert.“

Vom Außenseitertum zum Mainstream

Laut den Vereinsmitgliedern hat sich die Stellung von so genannten „Nerds“ in der Gesellschaft geändert. Der Begriff lässt sich zwar nicht ganz klar definieren, aber am ehesten steht er für Personen, die sich einer Sache so sehr widmen, das sie alles andere um sich herum vergessen. Oft handelt es sich bei dieser Sache um eine fantastische Geschichte oder Spielwelt.

„Nerd-sein ist zum Mainstream geworden“, sagt Steiner. „Während man früher in der Schule schräg angeschaut wurde, wenn man am PC Fantasy-Spiele gespielt hat, wird man heutzutage eher schräg angeschaut, wenn man nicht zockt.“ Erfolgsserien wie „The Big Bang Theory“ oder der Netflix-Hit „Stranger Things“ haben laut Steiner zu dieser Entwicklung beigetragen.

„Unsere neueren Mitglieder sind oft unter 25 Jahre alt“, sagt Walter. „Ich vermute, das liegt auch an den Pandemie-Erfahrungen. Die Leute trauen sich jetzt wieder, Neues auszuprobieren und wollen sich wieder sozalisieren.“ Wer gerne in Geschichten eintaucht und Neues ausprobieren will, ist bei Gilead jedenfalls immer herzlich willkommen.

Wissenswertes

 

Vereinshomepage: https://gilead-verein.at/

Vereinstreffen: Jeden Mittwoch um etwa 18:00 Uhr im Mozarthof Klagenfurt (interessierte Personen sind willkommen)

Homepage der österreichsichen LARP-Szene: https://www.larp-oesterreich.at/

 

27.02.2023 10:00
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„Nerd-sein ist zum Mainstream geworden“ Teilnehmer bei einem mittelalterlichen "Live Action Role Playing" (LARP)

© Gilead