Caritas

Lesung als Plädoyer für das „heilsame Reden“

Am 22. Mai um 19.00 Uhr liest Psychiatrie-Primar Herwig Oberlerchner aus seinem neuen Buch „Das Schweigen wird laut“ im magdas LOKAL in Klagenfurt und lüftet – stellvertretend für viele Menschen – die Geheimnisse seiner Familie.

Doktor Oberlerchner, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Klagenfurt gibt eine Lesung als Plädoyer für das „heilsame Reden“.

© Caritas

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Er ist Vorstand der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Klagenfurt und Autor mehrerer Bücher. Nachdem Herwig Oberlerchner (58) zuletzt eine Psychografie über Thomas Bernhard geschrieben hat, setzt sich der Vater zweier erwachsener Söhne nunmehr in seinem neuen Buch „Das Schweigen wird laut“ mit der eigenen Biografie auseinander.

Berührende und betroffen machende Ereignisse

In der 1.000-Seelen-Gemeinde Döbriach am Millstätter See in den 1960er-Jahren in einem Viergenerationenhaus aufgewachsen, erlebte Oberlerchner eine, wie er es nennt, Großfamilienidylle mit riesigen Festen, bei denen viel geredet wurde. Es habe aber auch Tabus und verschwiegene Themen gegeben. „Wenn wir Kinder aufmerksam zuzuhören begannen, verstummten die Erwachsenen. Da wurden meine Ohren besonders spitz“, erinnert sich Oberlerchner.

Hartnäckig geblieben

Er war als Kleinkind schon neugierig, hat Fragen gestellt, ist all die Jahre hartnäckig geblieben und lüftete nach und nach und später auch als Psychoanalytiker die Geheimnisse seiner Familie; erfuhr von ungewollten Schwangerschaften; dem Leid der Urgroßmutter, die ihre Kinder an Tuberkulose verlor, und selbst daran starb; dem nach Kanada ausgewanderten Großvater, dessen Familie er in der jüngeren Vergangenheit in Toronto fand. Die Tatsache, dass der „heiß geliebte Urgroßvater, der mich auf seiner Werkbank als kleinen Buben mit Holz, Schmirgelpapier und Feilen beschäftigte und dessen Lindekaffee so großartig roch“, nicht mit ihm verwandt ist, hat Oberlerchner „zutiefst irritiert, bis ich die Entscheidung getroffen habe, dass ich ihn unabhängig von Verwandtschaft liebe und verehre“.

Fürs Berufsleben geprägt

Die Lüftung der Familiengeheimnisse hat Oberlerchner „tief berührt, betroffen gemacht, aber niemals schockiert“. Vieles hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in seiner beruflichen Tätigkeit auch geprägt. Die häufigen Suizide in der väterlichen Linie, sein Vater selbst, der sich das Leben nahm, als er 15 Jahre alt war und statt Trost aufgrund von Betroffenheit und Überforderung Abwendung seitens Familienmitgliedern und Nachbarn erlebte, sensibilisierten ihn für seine Arbeit im Klinikum: „Wenn sich jemand an meiner Abteilung während des Aufenthaltes oder kurz danach das Leben nimmt, nehme ich mit der Familie Kontakt auf. Wir rekonstruieren mit ihr das Ereignis und vermitteln zu Trauer- und Selbsthilfegruppen“, so Oberlerchner.

Reden statt krank werden

Der Autor versteht sein neues Buch als Plädoyer „fürs Reden, für Neugierde, Offenheit und den Mut, sich mit Tabus auseinanderzusetzen“. Dass er als Psychiater und Psychotherapeut der Öffentlichkeit so tiefe Einblicke in sein Seelenleben gewährt, habe ihm beruflich nicht geschadet. Und: Wenngleich es innerhalb der Familie viele Gespräche bis zum Einverständnis gebraucht habe, sei die Entscheidung, die Familiengeschichte zu publizieren, richtig gewesen. Denn viele Leser*innen empfänden das Buch als Einladung, sich mit der eigenen Familiengeschichte zu befassen. Er findet das schön und wichtig, denn: „Kommunikation und Gespräche sind heilsame Mittel gegen Familientraumata und nützen der nächsten Generation. Finden sie nicht statt, werden transgenerationale Themen weitergegeben, die krankmachen.“

Neue positive Szenarien

Ursula Luschnig, die zuständige Bereichsleiterin in der Caritas Kärnten, freut sich auf die Lesung und dankt Oberlerchner, der mit seiner Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie ein wichtiger Kooperationspartner der TelefonSeelsorge und Lebensberatung ist. Luschnig: „Auch in unseren Beratungen geht es mitunter darum, die eigene Geschichte und den Einfluss, den sie auf das Hier und Jetzt nimmt, zu betrachten. Es ist förderlich, immer wieder Entscheidungen zu treffen, neue positive Szenarien zu entwickeln und diese Bestandteil des Lebens werden zu lassen.“   

„Wenn das Schweigen laut wird“

Am Montag (22. Mai 2023) um 19 Uhr liest Herwig Oberlerchner aus seinem neuen Buch im magdas LOKAL der Caritas in Klagenfurt. Die Cellistin Miramis Semmler-Mattitsch unterstreicht seine Worte mit berührender Musik.

Herzliche Einladung

Interessierte sind mit der Bitte um eine freiwillige Spende für die Caritas-Lebensberatung Klagenfurt herzlich eingeladen. Anmeldungen bitte unter der Telefonnummer 0463/500 667. 

15.05.2023 10:00 - Update am: 15.05.2023 14:54
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Doktor Oberlerchner, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Klagenfurt gibt eine Lesung als Plädoyer für das „heilsame Reden“.

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