Wie helfen?

Kinder leiden unter Bombendrohungen an Kärntner Schulen

Seit Anfang März gab es in Kärnten 19 Bombendrohungen an Schulen. Bei Kindern, die Schule normalerweise als sicheren Ort betrachten, kann das große Angst auslösen. Eltern sollten mit ihnen offen darüber sprechen, rät Psychotherapeutin Alma Brkic-Elezovic. Auch Schultherapie und Schulsozialarbeit können hilfreich sein.

Polizei Regelmäßig muss die Polizei wegen Bombendrohungen Schulen durchsuchen.

© Red/KK

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19 Bombendrohungen hat es seit Anfang März in bzw. im Zusammenhang mit Schulen in Kärnten gegeben. In keinem der Fälle wurde Sprengstoff gefunden. In den Köpfen der Kinder hinterlassen die Vorfälle dennoch Spuren. Klick Kärnten hat mit der Kärntner Psychotherapeutin Alma Brkic-Elezovic über mögliche psychische Auswirkungen und Motive der Drohungen gesprochen.

Welche psychischen Folgen können Bombendrohungen an Schulen auf Kinder haben?

Alma Brkic-Elezovic: Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie beispielsweise den Vereinigten Staaten, gilt die Schule in Österreich als „sicherer Raum“: Das bedeutet, Schule per se ist sicher. Für viele Kinder und Jugendliche kann die Schule manchmal sogar ein Ort der Sicherheit sein, den sie in ihren eigenen Familien nicht haben.

Wir alle sehnen uns nach „Raum, Schutz und Halt“. Durch die Bombendrohungen gerät die Selbstverständlichkeit dieser Säulen ins Wanken. Manch einer setzt sich erstmals mit der Frage auseinander: „Was wäre, wenn wirklich etwas passiert?“

Wie können Eltern mit den Sorgen und Ängsten ihrer Kinder umgehen?

Es ist wichtig, mit Kindern über die Vorfälle zu sprechen und, je nach Entwicklungsstand der Kinder, ihre Fragen ehrlich zu beantworten. Zu Beginn des Ukrainekriegs stellten beispielsweise viele Kinder die Frage: „Wird es auch bei uns Krieg geben?“ Ich habe empfohlen, bei der Beantwortung ehrlich zu sein, etwa: „In unserer derzeitigen Situation leben wir in einem sehr sicheren Land. Ganz ausschließen lässt sich ein Krieg nie. Aber jetzt, in diesem Moment, ist es sehr unwahrscheinlich.“

Nach diesem Muster kann man mit Kindern und Jugendlichen auch über die Bombendrohungen im Zusammenhang mit Schulen sprechen. Wichtig ist es, im Gespräch wieder einen sicheren Rahmen herzustellen. „Es ist nichts passiert. Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt. Wenn wirklich jemand eine Bombe verstecken würde, gäbe es Menschen, die zur Hilfe eilen, wie die Polizei oder die Feuerwehr.“ Zusätzlich sollte man die Realitätsebene einbringen: „Bisher wurde in den Kärntner Schulen noch nie tatsächlich Sprengstoff gefunden. Das hat es bisher in Kärnten noch nie gegeben.“

In der Ukraine gehören Bombenalarme leider zur Realität. Was können Bombendrohungen bei geflüchteten Kindern auslösen?

Für Kinder die im Kriegsgebiet waren, die also ohnehin sehr wenig Schutz erfahren haben, kann so etwas sehr schlimm sein. Die Realität holt diese Kinder wieder ein, sie werden getriggert. Hier ist viel Aufklärung notwendig, nach dem Motto: „Nein wir sind nicht im Bombengebiet, ich bin nicht in akuter Gefahr.“

Welches Motiv könnte hinter den Drohungen stecken? 

Den einen Grund gibt es nicht. Da müsste man jedes Kind einzeln fragen. Ich denke, es gibt mehrere Erklärungsmodelle, die den Kindern oder Jugendlichen aber nicht immer bewusst sein müssen.

  • Überforderung in der Schule. Manche Kinder können sich von den Anforderungen des Schulalltags überfordert fühlen, Ohnmacht oder Enge empfinden. Als Erwachsene haben wir die Möglichkeit, einen Beruf zu kündigen. Diese Option haben Schüler:innen nicht.
  • Grenzen überschreiten. In der Pubertät versuchen viele Jugendliche, Grenzen zu überschreiten. In diesem Fall kann eine Drohung ein sehr radikaler Versuch sein, etwas zu kontrollieren. Der Gedanke „Ich als 12-Jährige bringe 400 Personen dazu, aus der Schule zu gehen“, kann dem- oder derjenigen ein Gefühl der Macht vermitteln.
  • Bestätigung in den sozialen Netzwerken. Auch Mutproben, sogenannte „Challenges“ in den sozialen Netzwerken, kommen als Motive infrage. Derjenige, der sich im Klassenverbund normalerweise als Außenseiter fühlt, gelangt plötzlich in die Rolle von jemanden, der sich etwas traut. In diesem Fall können Identitätsfindung und der Wunsch nach Anerkennung im Vordergrund stehen.

In allen drei Fällen ist es aber so, dass das Dopamin, also quasi der „Kick“, der durch die Drohungen ausgelöst wird, nur sehr kurz anhält. Die Realität kommt schon nach wenigen Tagen zurück. Dann drohen erst recht Konsequenzen. Bombendrohungen lösen das zugrunde liegende Problem jedenfalls nicht.

Was kann man tun, um zur Lösung dieses Problems beizutragen?

Reden, Reden, Reden. Wir können uns innerhalb der Schulen gegenseitig die Frage stellen: Ist unser Alltag zu voll? Gibt es genug Raum für Gespräche und für Miteinander? Wie können wir angesichts der immer größer werdenden Anforderungen für Ausgleich im Schulalltag sorgen?

Kinder und Jugendliche brauchen das Messen untereinander. Vielleicht lassen sich  Wettbewerbe oder Ausflüge realisieren, die für Abwechslung in der Schulroutine sorgen. Oder gemeinsame Aktivitäten, wie die Erarbeitung einesTheaterstücks.

Wichtig ist es, Ausgleichsmomente zu schaffen. Gerade jetzt, und gerade auch nach den Drohungen, wo die Stimmung aufgeladen ist, braucht es einen Ausgleich.

Natürlich ist es wichtig, Schultherapie und Schulsozialarbeit anzubieten.

Sollten die Täter für ihre Drohungen bestraft werden?

Im Falle einer Bombendrohung ist eine angemessene und altersentsprechende Konsequenz ein wichtiger Teil der Realitätsebene. Kinder und Jugendliche müssen die Folgen ihres Handelns einschätzen können. Man muss ihnen die hohen Einsatzkosten nennen und ihnen vermitteln:  „Feuerwehr und Polizei sind hier im Einsatz. Das ist teuer.“
Das Erzielen einer nachhaltigen Wirkung – also dass so etwas nicht wieder passiert – steht jedoch im Vordergrund. Eine Strafe muss nicht immer Mittel der Wahl sein.  Durch Gespräche und Aufklärung kann man manchmal mehr erreichen.

Wie kann man Täter dazu bringen, nachzudenken, sich in die Rolle der anderen, oft viel jüngeren Kinder, hineinzuversetzen?

Man kann mit den Schülerinnen und Schülern zunächst auf einer ganz allgemeinen Ebene besprechen: „Was löst destruktives Verhalten wie etwa Mobbing aus?“ Man muss den Kindern und Jugendlichen bewusst machen, dass Bombendrohungen und die dadurch ausgelösten Gefühle an gesundheitsschädigendes Verhalten grenzen.

Haben Sie den Eindruck, dass die Kinder und Jugendlichen heutzutage generell schwieriger sind?

Jede Generation ist anders. Früher färbte man sich die Haare grün, um zu provozieren.  Jetzt ist die Welt vernetzter, Nachrichten verteilen sich viel schneller. Wir leben in einer sehr reizüberfluteten Welt.

Es wird viel schneller kommuniziert und viel mehr verglichen. So gelangt ein Foto, auf dem alle Schülerinnen und Schüler nach einer Bombendrohung vor dem Schulgebäude stehen, überall hin, wo es eine Internetverbindung gibt. Die sozialen Medien strahlen einen gewissen Reiz aus. Eine Art schnelles Versprechen, für einen kurzen Moment lang „cool“ zu sein.

Was können Schulen tun, um die Kommunikation zu fördern?

Es braucht mehr Räume, mehr Fachpersonal. Lehrkräfte alleine können das nicht abdecken. Sie leisten ohnehin schon genug. Die Bildungspolitik ist hier gefragt.

Alma Brkic-Elezovic ist Psychotherapeutin und hat Weiterbildungen im Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie absolviert. Weitere Informationen: Startseite – Mag. Alma Brkic-Elezovic (alma-psychotherapie.at)

 

24.03.2023 18:00 - Update am: 24.03.2023 18:30
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