Kärnten

Dem Tourismus fehlen bis zu 2.500 Arbeitskräfte

Hilferuf der Tourismuswirtschaft an die Politik nach einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftskammer Kärnten: „Dem Kronjuwel der Dienstleistungsbranchen gehen die Hände aus“, warnt Spartenobmann Josef Petritsch.

Dem Tourismus fehlen bis zu 2.500 ArbeitskräfteWirtschaftskammer Kärnten: Sigismund E. Moerisch (Obmann der Fachgruppe Hotellerie), Stefan Sternad (Obmann der Fachgruppe Gastronomie) und Josef Petritsch (Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, von links)

© WKK/Studio Horst

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Josef Petritsch, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Kärnten, ist überzeugt, dass der aktuelle Mitarbeitermangel im Tourismus nichts mit Geld, Arbeitszeiten oder dem früher oft bemängelten Umgang mit den Beschäftigten zu tun hat. Im Gegenteil: „Wir bieten inzwischen wohl die flexibelsten Arbeitszeitmodelle aller Branchen, unsere Mitarbeiter können Freizeit- und Wellness-Einrichtungen mitnutzen, es gibt freie Verköstigung, Tankgutscheine, Mitarbeiter-Events – da kann kaum eine andere Sparte mithalten.“ Seine Schlussfolgerung: „In der Coronazeit ist etwas passiert mit den Menschen.“

Mitarbeitermangel in 80 Prozent der Betrieben

Denn: Eine aktuelle Umfrage der Sparte Tourismus zeigt, dass mehr als 80 Prozent der Kärntner Tourismusbetriebe zu wenig Mitarbeiter haben. „Insgesamt dürften im Kärntner Tourismus zu Sommerbeginn 1.800 bis 2.500 Arbeitskräfte fehlen“, erklärt Sparten-Geschäftsführer Wolfgang Kuttnig. Am Angebot liegt es wohl kaum: 87 Prozent der Betriebe zahlen über dem Kollektivvertrag, 76 Prozent locken mit zusätzlichen Prämien, kostenloser Unterkunft, Kinderbetreuung oder Wäscheservice. Die Folgen dieses Mangels sind bereits spürbar und zeigen sich in Angebotseinschränkungen, geänderten Konzepten, kürzeren Öffnungszeiten, mehr Schließtagen und überlastetem Stammpersonal.

Diesem Stammpersonal ist Spartenobmann Petritsch äußerst dankbar: „Unsere Mitarbeiter leisten großartige Arbeit. Sie zeigen sich solidarisch und partnerschaftlich und stellen das Gäste-Erlebnis und den hohen Qualitätsanspruch trotz fehlender Kollegen in den Mittelpunkt.“

Drittstaaten als Hoffnungsschimmer

Ein Hoffnungsschimmer für die Branche wären Mitarbeitende aus Drittstaaten, doch das Kontingent von 208 Personen ist ausgeschöpft. „Wir kämpfen seit Monaten darum, diese Kontingente gänzlich aufzuheben. Denn in Österreich und in der EU findet man ohnehin niemanden. Auch in den Drittstaaten wie Bosnien sitzen sie nicht auf den Koffern und warten, dass sie nach Österreich kommen dürfen“, schildert Hotelierssprecher Sigismund E. Moerisch die triste Situation. Für die „Ignoranz der heimischen Politik“ hat er kein Verständnis mehr: „Ein Anachronismus, Menschen daran zu hindern, hier zu arbeiten und in die Sozialsysteme einzuzahlen.“

Betriebswirtschaftlich funktionieren

Gastronomie-Obmann Stefan Sternad kennt die Auswirkungen: Trotz zusätzlicher Schließtage und früherer Sperrstunde sind nicht nur die bestehenden Mitarbeiter überlastet, auch die Unternehmer stehen wochenlang durchgehend im Betrieb. „Aus meiner Sicht ist die Inflation derzeit weniger wohlstandsgefährdend als die Arbeitsmarktsituation“, betont Sternad. Er verweist darauf, dass jeder Tourismusbetrieb auch betriebswirtschaftlich funktionieren muss. So sind etwa Investitionen anzupassen und die Auspreisung öfter zu evaluieren.

Jugend als Chance

Chancen sehen die Tourismus-Experten vor allem in der Jugend: „Es liegt in unserer Hand, junge Leute auszubilden, ihnen eine Perspektive und attraktive Rahmenbedingungen zu geben.“ Auch die Mitarbeiter-Kommunikation und -bindung empfinden Petritsch, Moerisch und Sternad als zukunftsweisend und empfehlen ihren Kollegen, darauf ein größeres Augenmerk zu legen. Auch wenn der aktuelle Fachkräftemangel im Tourismus herausfordernd ist, bleiben die drei Obmänner optimistisch: „Unsere Branche ist ein Kulturgut. Wir werden uns anpassen – und mit einigen Einschränkungen werden wir auch leben lernen müssen.“

22.06.2022 08:21
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Dem Tourismus fehlen bis zu 2.500 ArbeitskräfteWirtschaftskammer Kärnten: Sigismund E. Moerisch (Obmann der Fachgruppe Hotellerie), Stefan Sternad (Obmann der Fachgruppe Gastronomie) und Josef Petritsch (Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, von links)

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